Die Welt ist voller Lösungen – 10. Mostviertler Nachhaltigkeitskonferenz

„Nachhaltigkeit weiter denken“ war das Motto der 10. Mostviertler Nachhaltigkeitskonferenz, die am 6. und 7. November 2017 rund 120 TouristikerInnen, RegionalentwicklerInnen und KommunalpolitikerInnen aus dem In- und Ausland im niederösterreichischen Wieselburg zusammenführte. Gemeinsam gingen sie der Frage nach, wie unser Alltagsverhalten, unser Speisezettel und unsere Reisegewohnheiten das Gesicht der Welt verändern. Ein reiches Maß an Information und Inspiration steuerten dazu die ReferentInnen bei, die sich als renommierte ExpertInnen, engagierte PraktikerInnen und unkonventionelle QuerdenkerInnen erwiesen.

Keynote-Speaker Thomas Weber, Autor, Journalist und Herausgeber von „Biorama“, wusste mit einer ganzen Reihe von alltagstauglichen Ideen für eine nachhaltige Lebensgestaltung und damit bessere Welt aufzuwarten. Sein Credo: Auch die größten Problemfelder brauchen kleine Schritte, begleitet von Mut zu phantastischen Ideen, zum Widerspruch, Nachmachen, Scheitern, Fordern und Fördern.  Dass gewollte gesellschaftliche Veränderungen in ganz persönlichen Verhaltensänderungen ihren Anfang haben, machte „Weltenwanderer“ Gregor Sieböck deutlich, der von seinen mehr als 20.000 erwanderten Kilometern und den dabei gewonnenen Erkenntnissen berichtete. Darunter vielsagende Aussagen wie „Wenn man viel (im Rucksack) hat, kommt man schwerer ans Ziel“, „Was wir lieben, werden wir nicht zerstören“ und „“Die meisten Grenzen setzen wir uns selbst“, die kaum noch einer Interpretation bedürfen.

Mit dem „Klimaschutz am Teller“ befasste sich Ernährungsökologe Martin Schlatzer von der BOKU Wien. Er lieferte einen Überblick über aktuelle Entwicklungen im Ernährungssektor und beleuchtete anhand von Zahlen und Statistiken die Klima- und Umweltfolgen von Produkten und Ernährungsweisen. So betonte er etwa, dass die Viehhaltung für 18 % aller Treibhausgase verantwortlich zeichne, biologische Produktionsweisen wesentlich geringere CO2-Emissionen als konventionelle verursachten, die bei manchen Produkten weit unter 50 % lägen, und lieferte damit zahlreiche Anhaltspunkte für eine bewusste und nachhaltige Ernährung. „Wertschöpfung durch Wertschätzung“ ist das Motto von Melanie Franke, die seit 2010 das Rogner Bad Blumau als Direktorin leitet und dabei allem voran auf gelebte Partnerschaften mit regionalen Kleinproduzenten setzt. Dieser Weg ermögliche es, soziale Verantwortung für die Menschen und UnternehmerInnen in der Region zu leben, beste Qualität anzubieten und den Gästen einen nachhaltigen Genuss ohne erhobenen Zeigefinger zu offerieren.

Den Abschluss des ersten Konferenztages bildete eine anregende Podiumsdiskussion zum Thema „bio versus regional“, an der neben den ReferentInnen auch Sebastian Felhofer von der Chefpartie, einem zertifizierten Bio-Catering-Unternehmen, teilnahm. Das Ergebnis auf den Punkt gebracht: Es braucht ein „und“ und kein „versus“ zwischen bio und regional, wobei auch auf „sozial“ nicht vergessen werden darf, die beliebige Reduktion auf einzelne Nachhaltigkeitsindikatoren verwirrt die Konsumenten, ohne in der Sache zielführend zu sein, und Regionalität darf und muss auch über Staatsgrenzen hinaus gedacht werden.

Jana Apih, Direktorin von „GoodPlace Sustainable Tourism Institut“ in Ljubljana, präsentierte das  preisgekrönte slowenische Projek „Slovenia Makes You Green“, das sich als beispielhaftes Modell für einen nachhaltigen Tourismus zur Nachahmung anbietet. Unter Einbindung aller Betroffenen und Beteiligten, von Destinationen über Gastronomen und Beherberger bis hin zu Reiseveranstaltern und Agenturen, werden zuerst ein Schulungs- und anschließend ein Zertifizierungsprozess durchlaufen, was bemerkenswerte Impacts auf Nachhaltigkeitsbewusstsein und –performance zu erzielen vermag. Der Kärntner „Edelgreißler“ Herwig Ertl, Leiter von Slow Food Alpe Adria Convivium und Intendant der Genussfestspiele, bot einen emotionalen „Vortrag“, der einem Schauspiel glich. Für ihn steht fest, dass die Zeit des Teilens angebrochen ist, dass es um ein besseres Leben für alle gehen müsse, statt im Wohlstand zu ersticken, und dass es in unserer Zeit Dickköpfe und Unbequeme brauche, die der Qualität eine Stimme gäben und den Menschen in den Mittelpunkt stellten.

Bürgermeister Helmut Wallner aus der oberösterreichischen Weltcup-Gemeinde Hinterstoder zeigte sich davon überzeugt, dass erfolgreicher nachhaltiger Tourismus nur in einem funktionierenden Dorf möglich sei. Dabei dürfe weder einer Glassturz-Mentalität das Wort geredet werden, noch dürfe es Denkverbote geben, was vielleicht auch die reiche Präsenz zeitgemäßer Architekturobjekte in Hinterstoder erklärt. Im Zentrum seiner Ausführungen stand die Vorstellung des kommunalen Mobilitätskonzeptes, das mit dem Beitritt zu den Alpine Pearls seinen Anfang nahm und sich mittlerweile als ein Gesamtsystem präsentiert, das Kommunikationskonzepte, Besucherlenkung, Parkraumbewirtschaftung, lokale Busse und getaktete Zusatzangebote umfasst und Einheimischen wie Gästen in gleicher Weise zu Nutzen ist.

Dem Thema Mobilität widmeten sich auch die drei anchließenden ReferentInnen. Der national und international tätige Verkehrsplaner Romain Molitor regte an, sich im Bestreben um eine sanftere Mobilität auf die An- und Abreise der Gäste zu konzentrieren, zumal 75 % der Co2-Emissionen im Tourismus verkehrsbezogen seien und  96 % davon bei der An- und Abreise anfielen. Außerdem gelte es in Zukunft vermehrt der Tatsache Rechnung zu tragen, dass immer mehr StädterInnen kein Auto, oft nicht einmal einen Führerschein hätten. Der Schlüssel zum Erfolg seien „Kooperationen, Kooperationen und Kooperationen“.

Die Touristikkauffrau Brigitte Hainzer berichtete über das Projekt „Tirol auf Schiene“, das  Gäste dazu anregen soll, vom Auto auf Bahn und Bus zu wechseln. Unterkunftsbetriebe in verschiedenen Regionen Tirols werden zu Möglichkeiten der Anreise sowie der Mobilität vor Ort informiert und Ideen und Vorschläge zur weiteren Verbesserung des Angebotes an die Auftraggeber ÖBB, DB, VVT und Tirol Werbung zurückgespielt. Matthias Komarek von der Energie- und Umweltagentur Niederösterreich sprach von guten und noch besseren Lösungen: 50.000 E-Autos würden 32 Millionen Liter Öl einzusparen vermögen, mit E-Carsharing seien noch weit größere Nachhaltigkeitserfolge zu erzielen, könnten damit ja auch Fahrzeuge und Parkräume eingespart werden. Weniger Kilometer mit dem Auto müsste aber letztlich höchste Priorität haben.

Zum Abschluss der Konferenz wurde den TeilnehmerInnen ein mitreißendes und aufrüttelndes Referat von Reinhard Herok , Lektor an der Austrian Marketing University in Wieselburg und an der IMC FH Krems, geboten. Er präsentierte einige soziale und nachhaltige Start-Ups und äußerte sich überzeugt, dass sich einst rein moralische, soziale und ökologische Fragen zunehmend ökonomisieren würden. Das „Normale“ sei Geschichte, es gelte globale Verantwortung zu übernehmen und globale Zusammenhänge zu begreifen. So werde der Klimawandel Afrika nicht nur besonders betreffen, sondern auch in Bewegung setzen, und keine Mauer könnte dagegen halten. „Die Welt ist voller Lösungen“ – und wenn diese die Politik nicht sehen wolle, dann müssten es eben die Menschen tun, so Heroks Schlussplädoyer.

Die 10. Mostviertler Nachhaltigkeitskonferenz wurde in bewährter Weise vom Mostviertel Tourismus, angeführt durch GF Andreas Purt, in Kooperation mit der Niederösterreich Werbung mit Prokurist Stefan Bauer an der Spitze sowie dem Club Niederösterreich, vertreten durch GF Theres Friewald-Hofbauer, organisiert. Darüber hinaus wurde erstmals auch eine Veranstaltungs-Partnerschaft mit der Messe Wieselburg unter Messedirektor Werner Roher eingegangen, die eine fruchtbringende zeitliche, räumliche und inhaltliche Verflechtung der mit der „Bio Österrreich 2017“ ermöglichte.